„Meine Rechte durchsetzen!“ – ein Projekt des ZSL Nord

 

Worum geht es?

Viele Menschen mit Behinderung kennen das Problem: Sie beantragen eine Leistung, die nach Monaten des Wartens abgelehnt wird. Und was dann? Rechtsbeistand ist zu teuer, für eine eigene Klage fehlt die Expertise. Da bleibt bei den Betroffenen meistens nur das Ohnmachtsgefühl zurück.

Mit dem Projekt „Meine Rechte durchsetzen!“ wollen wir diesen Zustand ändern und Menschen mit Behinderung ermöglichen, ihre Rechte vor Gericht durchzusetzen. Erreichen wollen wir das mithilfe einer Klagemöglichkeit, die bisher bundesweit nahezu ungenutzt blieb: Menschen mit Behinderung können nämlich auch über Selbstvertretungsorganisationen klagen. Eine solche Klage bietet die Besonderheit, dass die Betroffenen keine Kosten tragen müssen – unabhängig davon, wie der Prozess ausgeht. Die Klage ist somit komplett risikofrei.

Unser Ziel ist es, von den Betroffenen, der Justiz und den Leistungsträgern ernstgenommen zu werden: Der juristische Weg über Verbände zu klagen, soll zukünftig zur Selbstverständlichkeit werden.

Warum gibt es das Projekt?

Wie oben bereits deutlich wurde, haben viele Menschen mit Behinderung Probleme, ihre Rechte in Anspruch zu nehmen. Gegenüber der undurchsichtigen Sozialverwaltung fühlen sie sich oft machtlos. Mit dem Projekt wollen wir die Betroffenen erfahren lassen, dass sie sehr wohl Rechte haben und diese vor Gericht auch durchsetzen können.

Die juristische Grundlage für die Klage über Verbände bildet § 85 SGB IX. Der Paragraf ermöglicht es den Betroffenen über Verbände zu klagen, ohne dass sie dabei die Kosten tragen müssen. Diese als „Prozessstandschaft“ bekannte Klagemöglichkeit wurde entwickelt, um es Menschen mit Behinderung zu erleichtern, ihre Rechte vor Gericht geltend zu machen. Sie ist bundesweit nahezu unbekannt und wurde bisher entsprechend kaum genutzt.

Darüber hinaus möchten wir mit unseren Klagen ein einheitliches Bild in rechtlichen Fragen schaffen. Teilweise wirken rechtliche Entscheidungen sehr beliebig und sie verunsichern viele Menschen mit Behinderung. Beispielsweise variiert die Bezahlung einer kompensatorischen Assistenz derzeit je nach Kreis: Während der eine Kreis sich am gesetzlichen Mindestlohn orientiert, zahlt ein anderer Kreis 5 Euro mehr. Mit wenigen Klagen ließe sich in diesem Falle klären, welcher Lohn angemessen wäre. Derlei Unsicherheiten ließen sich auch in anderen rechtlichen Fragen mit wiederholten Klagen aus dem Weg räumen. Sie würden Menschen mit Behinderung in Zukunft einen Kompass geben, an dem sie sich orientieren können.

Was ist das Besondere an dem Projekt?

Die Besonderheit bei dem Projekt ist, dass Peer Counseling und Rechtsberatung miteinander verknüpft werden: Menschen mit Behinderung beraten also Menschen mit Behinderung in rechtlichen Angelegenheiten. Daraus ergibt sich – im Gegensatz zu der herkömmlichen Beziehung zwischen Anwältin oder Anwalt und Mandantin oder Mandant – eine ganz besondere Beziehung.

Dabei wollen wir die Betroffenen vom Start weg an die Hand nehmen, beispielsweise juristische Grundlagen erklären, die jeweiligen Klagen erörtern oder gemeinsam zum Gericht gehen. Dadurch, dass die Betroffenen aktiv an dem Klageprozess beteiligt werden, können sie ein ganz anderes Selbstverständnis von sich selbst und ihren Rechten als Menschen mit Behinderung entwickeln. Selbstverständlich müssen sie diese aktive Rolle nicht einnehmen und grundsätzlich steht es jede und jedem frei, inwieweit sie sich an dem Klageprozess beteiligen wollen.

Für wen ist das Projekt?

Wir wollen das Projekt auf zwei Ebenen umsetzen: regional und bundesweit.

Zunächst wollen wir in geeigneten Fällen in Schleswig-Holstein und Hamburg vor Sozial- und Verwaltungsgerichten klagen, wenn die Rechte von Menschen mit Behinderung verletzt wurden. Das Angebot wird dabei von den Teilhabeberaterinnen und Teilhabeberatern sowie anderen EUTBs der beiden Bundesländer kommuniziert.

Im nächsten Schritt wollen wir dann in ganz Deutschland Selbstvertretungsorganisationen animieren und befähigen, die Rechte von Menschen mit Behinderung vor Gericht durchzusetzen. Unsere Vorgehensweise kann dabei als Modell von anderen Bundesländern genutzt werden.

In diesem Zusammenhang spielt auch der Arbeitskreis eine wesentliche Rolle: Mit ihm wollen wir bundesweit Menschen in Selbstvertretungsorganisationen zusammenbringen, die Lust haben, sich für Rechte von Menschen mit Behinderung einzusetzen. In regelmäßigen Treffen wollen wir juristische Expertise entwickeln und uns zu aktuellen rechtlichen Entwicklungen austauschen. Zudem blicken wir gemeinsam auf vielversprechende Fälle, die wir vor Gericht bringen können und entwickeln entsprechende Klagen, die wir dann auch vor Gericht bringen werden. Darüber hinaus wird der Arbeitskreis auch einen Rahmen für Fortbildungen, Diskussionen und Gastvorträgen bieten.

Mit unserem Plan auf überregionaler Ebene wollen wir erreichen, dass Selbstvertretungsorganisationen bundesweit regelmäßig klagen und sich das Vorgehen so verselbstständigt. Im Idealfall wird der Arbeitskreis so eines Tages obsolet.

Was ist sonst noch wichtig?

Das Projekt wird von „Aktion Mensch“ gefördert und vom Zentrum für selbstbestimmtes Leben Norddeutschland e.V. (ZSL Nord) umgesetzt. Es läuft bis zum 31.12.2026.

Kontakt:

Heiner Popken
Rechtsanwalt, Peer Counselor (ISL)

E-Mail:  Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!